Die Führung des Haushaltes gehört nicht in der Aufgabenbereich einer Hebamme.

Ein großer Teil der Hebammenausbildung ist putzen. Und zwar richtig putzen. Erst Jahre später begriff ich, wie wichtig diese Grundlage ist. Damals empfand ich das, jugendlich arrogant denkend, als reine Schikane an meiner Person.

Da ich mit Eltern aufgewachsen bin, die viel gearbeitet haben, musste ich zu Hause immer putzen und war damit auf diesen Teil der Ausbildung bestens vorbereitet. Dachte ich. Weit gefehlt, denn einen zwölf Quadratmeter großen Raum im Kreißsaal putzen hat so gar nichts mit dem häuslichen Putzen zu tun. Alle abwischbaren Flächen zunächst mit einer scharfen Seifenlösung reinigen, dann mit klarem Wasser, danach mit Desinfektion nachputzen. Alle abwischbaren Flächen! Das dauert etwa zwei Stunden.

Das „Einmaleins des Reinemachens“ schon früh erlernt

Unsere „Zugehfrau“, wie wir sie zu Hause nannten, musste immer die Küche abseifen. Von ihr lernte ich das „Einmaleins des Reinemachens“ (wie sie es nannte) und meine ersten Kochversuche. Auch mein erster Zug an einer Zigarette und der erste kleine Schluck aus Mamas Cognacflasche kamen von ihr.

Das erinnert mich an eine Geschichte mit einem Paar, beide aus altem Adelsgeschlecht stammend. Sie hatten in der Nacht zuvor mit mir im Geburtshaus eine schöne und ruhige Wassergeburt. Ich trudelte nach ein paar Stunden Schlaf zum ersten Wochenbettbesuch ein. Sie wohnten in einem hellen Loft in Mitte. Bei Hausbesuchen sehe ich so einiges an Einrichtung und Geschmack und auch das Schlafzimmer. So auch hier.

Intensiv-Beratung bei Hausbesuch

Bei diesem ersten Hausbesuch war eine mindestens A4-Seiten-lange Frageliste bereits fertig. Kita-Eingewöhnung inklusive. Hier hieß es dann, liebevoll die Fragen zu priorisieren. Nicht immer leicht, aber machbar. Diese Fragelisten zeigen, wie sehr diese erste Zeit mit einem Baby das Leben junger Eltern aus den Angeln hebt.

Nach fast neunzig Minuten Hausbesuch fand ich den Absprung zurück zur Ausgangstür. Der junge Vater begleitete mich still und hielt inne. Irgendwas ist noch, dachte ich.

Dann setzte er an und holte tief Luft: „Also, wir wollten sagen: Wir sind sehr unzufrieden mit deiner Betreuung.“ Wow. Jetzt war es raus. Okay. Luft holen. Kommunikationskompetenz zeigen. Ich antwortete: „Gib mir doch bitte Feedback, warum ihr euch nicht gut aufgehoben fühlt, dann können wir gemeinsam schauen, wie wir es besser gestalten können.“

Das bisschen Haushalt…

Innerlich dachte ich: Echt jetzt, und das nach fast 1,5 Stunden Dauerbesprechung? Seine Antwort darauf: „Wir hätten uns gefreut, wenn du auch ein bisschen im Haushalt mit angefasst hättest.“

Darauf war ich nicht gefasst. Ich brauchte eine gefühlte Ewigkeit, um eine professionelle Antwort zu finden. Langsam und mit festem Augenkontakt erläuterte ich ihm freundlich, dass ich gerne zum Hausbesuch komme und auch mal am Morgen Brötchen mitbringe. Sehr gern sorge ich mich um die Gesundheit seiner Frau und seiner kleinen neugeborenen Tochter. Wirklich sehr gern. Die Führung des Haushaltes jedoch gehört nicht in der Aufgabenbereich der Hebamme. Ich sei gerne bereit, sagte ich, bei der Suche nach einer Haushaltskraft zu helfen, die dann diese Aufgaben übernimmt.

Er erwiderte, dass sie eine Zugehfrau hätten, die jeden Tag drei Stunden kommt und alles macht. Diese hätten sie aber abbestellt für diese Zeit, da ich das ja wohl übernehmen würde. Hat er sich so gedacht.

Jetzt verstand ich diese völlige Überforderung des jungen Vaters, der noch nie in seinem Leben eine Waschmaschine befüllt hatte und wahrscheinlich mit einem prall gefüllten Kühlschrank hungern würde, da er schlicht und ergreifend noch nie gekocht hatte. Ich verstehe auch, dass seine Aussage nichts mit meiner Person zu tun hatte oder meiner eigentlichen Arbeit als Hebamme. Offensichtlich gehörte die Hebamme in den Rang der „Bediensteten“. Ich glaube nicht, dass er den Unterschied verstanden hatte, aber er wendete sich ab und verabschiedete sich. Wenn er nur wüsste, wie gut ich putzen gelernt habe.

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